Bankraub

Tagebuch eines Bankräubers

Erster Dezember, die Stadt.

Ich fahre durch die graue Stadt spazieren. Kein grösseres Ziel, einfach fahren und kucken. Schreiende Babies, die nicht einschlafen wollen, soll man damit überlisten können. Ich überliste mich damit auch, als hätte ich einen Plan, den ich nicht habe, oder ein Ziel, das ich ebenfalls nicht habe.

Die graue Stadt ist hässlich, ihre Bewohner sind es auch. Die Frauen ehr viereckig in Gestalt und die Männer hutzelig verbrämt. Sie wohnen mehrheitlich in alten Gemäuern, die von den Nazis übrig geblieben sind und die der englische General Harries, auch Bomber genannt, übersehen hat. Bedauerlich -der alte Geist fühlt sich noch heimisch in diesen Häusern und färbt wohl ab. Manchmal öffnen sich diese Fenster und jemand schreit aus leibeskräften Beleidigungen. Es geht um Mülltonnen, Rückwärtsfahren in Einbahnstrassen und Nichtigkeiten. Schreien war bei den Nazis die Norm. Aber heute kommt keine Gestapo oder SS. Wenn Geschrei etwas bewirken könnte, ich täte es den ganzen Tag.

Der Nieselregen rundet die Depression ab. An mir vorbei gleiten Supermärkte, Tankstellen, Juwelliere, Banken und die berühmten Trinkhallen, deren Beleuchtung Quartalsalkoholiker anlocken und nicht wieder loslassen…

Ich halte an einer roten Ampel, vor einer grossen Bank, die geschlossen ist, aber wie ein Weihnachtsbaum glitzert. Im Eingang hat sich ein Obdachloser verschanzt, eingehüllt mit einem Haufen Decken. Er wird hier die Nacht im Sitzen verbringen. Als ich jung war, habe ich sie manchmal eingepackt und mit nachhause genommen. Nicht zu empfehlen …

Wie gut, das es Ampeln gibt. Ich fahre weiter.

Vierter Dezember, die Bank.

Leider musste ich in eine von den Nazi-Behausungen einziehen, erwartungsgemäss, mit Nazis als Nachbarn. Das Jobcenter meinte, die Wohnung sei zu gross für einen Single, aber mein dezenter Wink mit dem Sozialgericht verhinderte den Einzug in ein Seniorenheim.

Old Grumpy Men bezeichnet man in England alternde Looser, die nichts weiter vorzuweisen haben, als ihren Frust auf alles. Jetzt war ich auch soweit und Nachbar Opitz entging nur knapp einer gebrochenen Nase, weil er meinte, ich lebte von seinen mühsam erarbeiteten Steuergroschen und sei in einem Arbeitslager besser aufgehoben. Ich liess mich nicht auf eine Disskussion ein, damit war ich schon bei den Zeugen Jehovas gescheitert.

Wer nicht arbeitet soll nix fressen, aber wenn es nichts zu Fressen gibt, kommen Leute auf abwegige Ideen. Das Ergebnis der Sozialeinrichtungen in Europa ist eine dramatisch geringe Kriminalität – im Vergleich z.B. mit dem Wunderland Amerika. Andererseits kommen Leute mit unendlicher Zeit auch des öfteren auf abwegige Ideen.

Ich war nicht nur zu einem Old Grumpy Idiot degeneriert, sondern beschäftigte mich auch zunehmend mit der abwegigen Idee eine Bank auszurauben. Meine Druckerei war pleite und die Gelegenheit falsche Dollarnoten herzustellen passee. Einem anderen Drucker, der ebenfalls am Ende war und mich dazu anheuern wollte, hatte ich geraten erst mal die Kriminalstatistik zu konsultieren.

Wer sich in der Welt des Verbrechens nicht auskennt redet oft von der Versuchung des leicht verdienten Geldes. Nichts könnte verkehrter sein. Die Logistik eines Verbrechens erfordert mitunter sogar mehr Arbeit und Investment, als eine “normale” Unternehmung. Wer schlecht plant und miserabel ausführt ist entweder pleite oder landet im Knast. Den kleinen Druckern kann man das nicht vorwerfen, weil sie gegen die grossen Internet-Druckereien nichts ausrichten können. Letztere liefern frei Haus zu einem Preis, zu dem der kleine Konkurrent nicht einmal das Papier einkaufen kann.

Egal. Shit happens und mein Hinweis auf die Kriminalstatistik war nicht so verkehrt. Die Aufklärungsquote bei Banküberfällen liegt bei ca. 80%. Tankstellenräuber kommen da vergleichbar besser weg, aber die sind ja auch nicht mein Thema. Als Newbie , Amateur oder Einzeltäter sollte man so ein Unterfangen tunlichst nicht tun.

Sechster Dezember, Team oder nicht Team.

Nikolaus hat wieder nix vor die Tür gestellt. Ruprecht ist in einer Kneipe versackt und ich erinnere mich – als Knirps hatte ich panische Angst. Wenn du einen Hund hast, zieh mal eine Maske über und trete dann deinem Hund gegenüber. Sollte mich nicht wundern, wenn der eine panische Reaktion zeigt …

Nicht, das ich 3jährige mit Haustieren vergleichen wollte, aber maskierte Gestalten sind bei Kleinkindern in der Regel nicht beliebt – auch nicht bei Bankangestellten, wo wir beim Thema wären.

Die Kriminalforensik ist heute etwas besser geworden und kann aus einer einzigen Hautschuppe eine DNA analysieren. Weisse ganzkörper Schutzanzüge sind umständlich und zeitaufwendig anzulegen und ausserdem recht auffällig. Da braucht man einen Zeitraum in dem Kunden und Passanten ehr rar sind. Und doch können Hundebesitzer jeden Augenbblick fast überall auftauchen und einem den Tag versauen – zumindest aus der Sicht eines Bankräubers…

Da waren wir schon, Einzeltäter sind gegenüber den vielfältigen Abwehrmassnahmen einer Bank im Nachteil. Also, für einen Bankjob braucht man ein Team und mindestens 6 Monate Vorbereitung und mindestens 100.000 Euro Startkapital. Mit soviel Kohle würde ich dann doch lieber für die nächsten Jahre in ein warmes Land verschwinden. Mit 300 Euro im Monat käme man dort gut über die Runden.

Also, betrachten wir mal die Teambildung. Kleinkriminelle sind notorisch unzuverlässig und mental instabil. Hollywood hat das zur Genüge dokumentiert. Ex-Militärs sind da schon die bessere Wahl, aber auf Bäumen wachsen sie auch nicht. Ich, als Pleitier, müsste überhaupt erstmal einen Geldgeber finden. Für einen Bankjob ein Team zu rekrutieren taugt für eine Filmvorlage, aber ist in der Realität praktisch unmöglich.

Heben wir das Problem für etwas später auf. Schauen wir uns als nächstes die Lokation an. Sagen wir, eine Hauptfiliale käme in die nähere Auswahl. Die weitere Infrastruktur, wie Polizeistationen- und Streifen, Autobahnen und Ampeln, lassen wir mal beiseite. Wie müsste so eine Hauptfiliale beschaffen sein? Ein mehr oder weniger alleinstehendes Gebäude mit einem Flachdach. Mietwohnungen darüber oder in Nachbarschaft sind nicht so gut. Parkplätze als Beobachtungsstationen sind wichtig. Auch die Erkundung sparen wir uns für später auf. Der Haupteingang ist nicht so wichtig, aber der Personaleingang, üblicherweise mit einer RFID-Karte zugänglich, dagegen sehr. Auch automatische Rolltore mit separater Seitentür bieten Angriffsziele …

Die Trinkhalle um die Ecke ist heute für mich gestorben. Sie verkaufen nur noch Grosspackungen. Als Nikotin-Junkie sollte ich mich doch freuen – für weniger Geld, mehr Zigaretten. Aber die Rechnung geht so nicht auf. Als Süchtiger habe ich mir eine gewisse Disziplin zugelegt, wichtig, auch für meinen zukünftigen Job. Mein Limit sind 20 Glühstengel alle 24 Stunden. Mit einer Grosspackung ist das nicht durchzuhalten. Also fahre ich etwas weiter zum Türken. Der hat nicht nur länger geöffnet und ist auch freundlicher, er führt auch meine 20iger Packung. Das fällt auf, auch in anderen Branchen: die Ausländer sind erfolgreicher. Wir Deutsche sind dagegen bequem und faul geworden und gierig obendrein. Das Geschreie hilft da nicht weiter …