Gebratene Tauben

Wie war das noch mit den gebratenen Tauben, die einem nicht ins offene Maul fliegen sollen?

Erstens fliegen gebratene Tauben nicht und mit einem offenen Maul stehe ich selten rum. Vielleicht gab es ja Zeiten in denen gebratene Tauben was besonderes waren, aber an einer Taube ist nix drann, satt wird man da nicht so richtig von – und ausserdem picken die ein Leben lang Müll von der Strasse auf – und ich soll eine lebensvollgemüllte Taube essen? Dazu mit offenen Maul? Habt Ihr sie nicht alle?

Wenn ich nach dem Verzehr eines solchen Vogels wenigstens fliegen könnte, wär schon was anderes. Im Traum geht es manchmal, wenn ich das richtige Bauchgefühl habe, schlecht zu erklären, das Gefühl im Bauch, die Anspannung – man springt dann in die Luft und kann dann plötzlich fliegen. Ohne Bauchgefühl landet man allerdings unsanft auf dem Boden. Ein wenig Übung, nur Mut und dann fliegt man über die Dächer der Stadt. Was das alles mit einer gebratenen Taube zu tun hat? Sagen Sie es mir.

Wir stolpern durchs Leben mit einem Haufen unausgegorener Pläne im Kopf und warten dann das jemand Ordnung reinbringt und uns klipp und klar sagt: tudastudas, tudasnicht, machbloskeinscheiss, schliess erstmal alle Versichrungen ab die es gibt, schon was von Altersvorsorge gehört?

Wir vergessen dann meistens das alle diese klugen Rathgeber nicht unsere, sondern ihre gebratenen Tauben im Sinn haben, welche dann vergessen, das ihre Rathgeber, also die Rathgeber der Rathgeber, ihre Riesenmäuler soweit aufsperren, das gebratene Jumbojets darin Platz hätten – aber dann kam ja die Finanzkriese: brat mir doch einer einen Jumbojet!

Haben Sie es schon gemerkt? Wir haben ein Problem. Die gebratenen Tauben sind das weniger – hatten wir ja schon festgestellt, das die nicht fliegen können. Das Problem liegt in der Unausweichlichkeit der Verfügbarkeit.

Wir sind Verfügungsmasse und dazu bestimmt jemandes Ziel der Geldvermehrung zu sein. Wenn Sie jetzt gelangweilt an die Decke schielen und denken das Gemeinplätze eher in die Politik gehören und in einer aufgabenteiligen Gesellschaft zwangsweise jeder von jedem profitiert – so wie in der Natur das Fressen und Gefressenwerden ja auch unvermeindlich sei – dann sind Sie wirklich im falschen Film.

Ich stelle die Frage einmal anders: wenn wir eine Entscheidung treffen, wessen Entscheidung ist das dann? – mal abgesehen von der Miete, die am ersten fällig wird – wer entscheidet unsere Entscheidungen von denen wir denken das es unsere Entscheidungen sind?

Es gab oder gibt ihn immer noch, den Zweikampf der Behaviouristen gegen die Finalisten des Schicksals, die meinen, alles sei vorherbestimmt. Dabei ist doch offensichtlich das beides unsere Entscheidungen beeinflusst, die Umwelt, die Genetik und als dritten Faktor der schwer zu bestimmende Umstand den wir Zufall nennen. Ehrlich, was haben wir da noch für eine Rolle zu spielen? Eigentlich gar keine. Unsere Entscheidungen sind eine Wundertütenmischung aus genetischen Festlegungen, Prägungen der Umwelt und situationsbedingten Zufällen (die ja angeblich gar keine sind) – wenn wir mal das Finanzamt draussen vorlassen, das meint alles bestimmen zu müssen.

Bevor wir in wissenschaftliche Tiefen versinken die niemand zu vertehen braucht, gehen wir doch mal von einem Beispiel der angeblich so wirklichen Wirklichkeit aus. Ein Mann befindet sich in einem Flugplatzgebäude das den wunderschönen Namen Terminal 1 hat. Wie ist er dahingekommen?

Die Dame mit dem vielversprechenden Namen Veronika hatte eine schlechte Nacht hinter sich gebracht, eine Stunde in der stinkenden Londoner U-Bahn und einen fünfminutigen nasskalten Fussmarsch und war jetzt endlich in ihrem Büro mit der ewig kaputten Kaffeemaschine angekommen. Deshalb hatte sie sich ihren Muckefuck in einer Thermokanne mitgebracht, dessen aromatischen Gerüche jetzt ihre Kolleginnen auf die Palme brachte, weil die nicht über soviel Organisationstalent verfügten und trotzdem nix abkriegten. Deshalb war Veronika auch Cheffin der Abtteilung geworden, deshalb blieb auch alle Arbeit an ihr kleben und deshalb hatte sie schlechte Nächte. Ihr Arbeitgeber, eine Rating Agentur, hatte sich daruf spezialisiert der Industrie

sogenannte Leeds zu verkaufen, die in Form von persönlichen Daten und anderweitig gesammelten informationen durch das Imperium der Finanzwirtschaft schwirrten. Gestern hatte sie die Daten des Mannes im Terminal 1 an eine Fluggesellschaft geschickt weil eine Menge sogenannter Indikatoren (jetzt fragen Sie mich nicht was das wieder ist) eine gewisse Reisefreudigkeit anzeigten. Die Fluggesellschaft ihrerseits hatte eine Internetfirma damit beauftragt ihre Leeds in direkte und indirekte Aufforderungen zu verpacken, die – um eine lange Geschichte kurz zu machen – bei unserem Mann landeten und der wiederum jetzt im Terminal 1 nach einem Gate suchte.

Schreibe einen Kommentar